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Steuerparadiese #1

Gelesen auf N-tv.de

Freitag, 17. Oktober 2014

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Pass ab 100.000 Dollar – Karibik-Inseln verkaufen Staatsbürgerschaft

Von Hannes Vogel

Karibik-Paradiese wie St. Kitts & Nevis verkaufen ihre Pässe an reiche Investoren. Eine Einkommensteuer gibt es nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Spende, ein Immobilieninvestment, ein Firmenkauf – auf Grenada und St. Kitts genügt das für die Staatsbürgerschaft. Die Karibik-Pässe sind das sichere Ticket ins Steuerparadies. Reiche Russen, Chinesen und Europäer stehen Schlange.

Grenada, am südlichsten Ende der kleinen Antillen gelegen, kennen die meisten Deutschen höchstens aus dem Gewürzregal. Die Karibikinsel vor der venezolanischen Küste ist einer der weltgrößten Exporteure von Muskatnuss. Auch Ingwer, Nelken und Zimt werden in dem Zwergstaat angebaut. Doch trotz der betörenden Düfte zieht es nicht allzu viele Besucher dorthin. Nur etwa 110.000 Menschen leben noch auf dem Mini-Eiland, das etwas kleiner ist als Köln. Die Regierung setzt deshalb auf ein ungewöhnliches Wachstumsprogramm: Sie verkauft reichen Einwanderern die Staatsbürgerschaft.

Alles, was künftige Grenader für einen Pass tun müssen, ist, 250.000 Dollar in eine Immobilie investieren. Die Regierung hat das Programm Anfang des Jahres aufgelegt, um die Erweiterung des Mount Cinnamon Resorts zu finanzieren, ein Edelhotel südlich der Hauptstadt St. Georges. Auch andere Karibikinseln folgen dem Trend. Antigua und Barbuda lockt seit Ende 2013 zahlungswillige Kosmopoliten. Hier ist die Staatsbürgerschaft für eine Spende von 250.000 Dollar an den staatlichen Entwicklungsfonds oder ein Investment von mindestens 400.000 Dollar in ausgewählte Immobilienprojekte zu haben. Alternativ kann man auch 1,5 Millionen Dollar in einer Firma anlegen.

St. Kitts & Nevis verkauft seine Staatsbürgerschaften schon seit 1984. Es ist das älteste derartige Programm der Welt. Für einen Pass müssen 250.000 Dollar an eine öffentliche Stiftung fließen oder mindestens 400.000 Dollar in Immobilien. Das Geschäft läuft gut. Erst 2012 hat die Insel die Antragsgebühren erhöht. Dominica verschleudert seine Pässe geradezu: für 100.000 Dollar. Noch günstiger wird es mit dem Familienrabatt. Dafür will die Karibik-Insel natürlich nicht nur Geld. Künftige Mitbürger müssen auch „herausragenden Charakter“ haben.

Eintrittskarte ins Steuerparadies

Nicht nur die Finanzminister, auch Agenturen machen mit den gekauften Pässen ein gutes Geschäft. Denn nur autorisierte Vermittler dürfen für die Inselstaaten neue Bürger werben. Sie lassen ahnen, von woher es die Kunden in die Karibik zieht. Und warum. Die Firma, die für Grenada vermittelt, hat Büros in Hongkong und im lettischen Riga sowie in der Schweiz und Andorra.

Und sie macht kein Geheimnis daraus, was reiche Chinesen, Russen und Europäer motiviert: „Vielleicht möchten Sie sich legal aus bankrotten und korrupten Sozialsystemen verabschieden, indem Sie mit den Füßen abstimmen?“ Die Firma glaubt, dass „Staatsbürgerschaft auf bewussten und informierten Entscheidungen“ beruhen sollte und „nicht auf der zufälligen Geburt“. Die karibischen Pass-Händler verstehen Staatsbürgerschaft nicht als politische Identität, sondern als Eintrittskarte für einen Club mit Rabattvorteilen.

Die Mitgliedschaft dient wohl auch fragwürdigen Motiven. Die Firma führt sie selbst an: „Politische Umstände in Ihrem Land machen es schwierig oder unmöglich, Reisevisa zu bekommen. Sie unterliegen Kapitalschranken. Ihr Besitz ist von Rechtsstreitigkeiten bedroht.“ Und: „Die Steuerlast in Ihrem Heimatland ist unnötig hoch“. Ein karibischer Pass ist die Lösung: Auf Grenada gibt es keine Vermögens- oder Erbschaftssteuer, auf St. Kitts & Nevis noch nicht einmal eine Einkommenssteuer. Dafür kann man als Einwohner des Steuerparadieses visafrei in mehr als 120 Staaten reisen. Auch nach Deutschland.

Staatsbürger in zwei Monaten

Steuerhinterziehung und andere illegale Geschäfte wollen die Karibikinseln mit rigorosen Hintergrundchecks verhindern. Mit polizeilichen Führungszeugnissen, Geburtsurkunden, notariell beglaubigten Fotos, Empfehlungsschreiben und Einkommensnachweisen versuchen sie, schwarze Schafe auszusieben. Wie gründlich die karibischen Beamten arbeiten, lässt sich nur erahnen: Um Staatsbürger von St. Kitts & Nevis zu werden, muss man grundsätzlich bei der Antragstellung nicht einmal die Insel besuchen. Man muss auch nicht dort wohnen, um einwandern zu können. In der Regel bekommt man den Pass schon nach drei Monaten. Auf Grenada schon nach zwei.

Die kriminellen Potenziale, die sich aus dem karibischen Passhandel ergeben, sind auch anderen Staaten nicht verborgen geblieben. Grenada verhökerte seine Staatsbürgerschaften schon früher, stellte das Programm aber 2001 ein. In dem Jahr hatte die internationale Anti-Geldwäsche-Organisation FATF (Financial Action Task Force) die Insel auf ihre schwarze Liste der unkooperativen Staaten gesetzt. Auch St. Kitts & Nevis stand bis 2002 darauf, ebenso wie Dominica.

Interesse an karibischen Pässen gab es wohl auch aus besonders heiklen Ländern. St. Kitts und Nevis hat sein Programm 2011 für Iraner geschlossen, nachdem die US-Regierung Druck auf den Inselstaat gemacht hatte. Washington fürchtete, Iraner könnten US-Sanktionen umgehen. Auf Antigua und Barbuda können sich nur noch Iraner bewerben, die mindestens seit einem Jahr außer Landes leben und Geld auf ausländischen Konten haben.

Auch EU-Staaten verkaufen „Goldene Visa“

Der Passhandel in der Karibik ist so erfolgreich, dass inzwischen auch EU-Staaten in das Geschäft mit der Staatsbürgerschaft einsteigen. Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise haben Spanien, Portugal und Griechenland begonnen, reichen Investoren Aufenthaltsgenehmigungen zu verkaufen. Lettland bietet solche „Goldenen Visa“ sogar schon seit 2010 an. In Riga können reiche Anleger bestenfalls in nur einer Woche eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie 300.000 Euro oder 400.000 Dollar auf einem Bankkonto parken, in Immobilien oder Firmen investieren. Auch in den USA und Großbritannien gibt es ähnliche Programme.

Doch anders als die Karibikinseln verkaufen diese Länder keine Staatsbürgerschaften, sondern Aufenthaltstitel, die zeitlich begrenzt sind, in Griechenland und Lettland auf fünf Jahre. Auch zur Steuerflucht eignen sich diese Programme kaum: In Europa sind die Kontrollen schärfer und die Steuersätze höher als in den Herkunftsländern der Interessenten. Allerdings können fragwürdige Investoren sich nun eine Dauerkarte für alle Schengen-Staaten kaufen: Viele reiche Russen und Chinesen mit lettischen Visa ziehen gleich weiter nach Italien oder Frankreich.

Nur auf Malta und Zypern herrschen in Europa annähernd karibische Verhältnisse. Auch die Mittelmeerinseln verkaufen ihre Staatsbürgerschaften. Die Preise sind allerdings deutlich höher: 650.000 Euro müssen künftige Malteser an den Staat berappen und eine Immobilie für mindestens 350.000 Euro kaufen. In Zypern werden sogar fünf Millionen Euro plus ein Haus für mindestens 500.000 Euro fällig. Die Programme sind zudem darauf ausgerichtet, dass neue Bürger auch wirklich auf die Inseln auswandern, und nicht bloß Steuern hinterziehen wollen.

Künftige Malteser müssen mindestens ein Jahr auf der Insel gelebt haben, bevor sie sich bewerben können. Nach der Einbürgerung müssen sie mindestens fünf Jahre dort wohnen. Das Programm ist auf 1800 Pässe begrenzt. Bewerber aus Ländern, die unter internationalen Sanktionen stehen, sind ausgeschlossen. Ebenso wie Afghanen, Iraner und Nordkoreaner oder Menschen, die in diesen Ländern wohnen sowie starke wirtschaftliche oder persönliche Verbindungen dorthin haben.

Quelle: n-tv.de

Hannes Vogel ist Autor und Reporter im Ressort Wirtschaft bei n-tv.de in Berlin. Er schreibt über Wirtschaftskriminalität, Lobbyismus, Euro-Krise und was sonst noch passiert, wenn Staat und Firmen aufeinandertreffen.